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Formen als Essenz

In den letzten Jahren habe ich mich zu einem Sammler von Formen entwickelt. Ich schöpfe aus einem Pool geometrischer Grundelemente, die ich über die Zeit gesammelt, variiert und weitergedacht habe. Mein Ziel ist es, diese Formen auf ihre wesentliche Essenz zu bringen – sie von Ballast zu befreien und sie in ihrer reinsten, kraftvollsten Version sichtbar zu machen. Dabei wurzelt meine künstlerische Praxis in einer langjährigen Auseinandersetzung mit der urbanen Bildsprache und deren Adaptionsprozessen im öffentlichen Raum. Diese visuelle Erfahrung fließt in meine aktuelle Arbeit ein, sodass meine minimalistischen Formen stets eine Nuance zeitgenössischer Reflexion in sich tragen. Die Quellen, auf die ich mich heute beziehe, sind durch die Vernetzung digitaler Medien wesentlich breiter und heterogener als es für Künstler früherer Generationen – etwa in der Konzeptkunst – möglich war. Mein Ansatz besteht nicht darin, minimalistische Prinzipien zu wiederholen, sondern sie durch dieses erweiterte Repertoire an Referenzen und Methoden zu transformieren.


Meine Arbeitsweise basiert auf einer neuen Art des Durchspielens von Varianten. Das digitale Arbeiten ermöglicht mir eine spielerische und zugleich systematische Erkundung von Formmöglichkeiten. Während viele der von mir genutzten Formen historisch bereits aufgetaucht sind, liegt meine Innovation in der Vielfalt der Kombinationen, der schnellen digitalen Iteration und vor allem in der Übertragung dieser Formen in überdimensionale Größen im urbanen Raum. Die digitale Arbeitsweise ermöglicht eine tiefere Untersuchung von Farb- und Formvariationen, als es im rein analogen Prozess möglich wäre. Die simultane Verfügbarkeit verschiedener Inspirationsquellen sowie die Möglichkeit der schnellen Iteration führen zu einem verdichteten, systematischen Forschungsprozess. Trotz dieser digitalen Erweiterung bleibt das Analoge essenziell – es bildet die Ausgangsbasis meiner Arbeiten und definiert die Materialität des finalen Kunstwerks. Die fortwährende Wiederholung mit minimalen Abweichungen folgt einem Prinzip, das sich mit der Idee von Paralleluniversen vergleichen lässt: Durch mikroskopische Veränderungen entstehen unerwartete Strukturen, die sich auf rein gedanklicher Ebene nicht hätten manifestieren können. Während die digitale Sphäre eine Vielzahl von Optionen generiert, wird die endgültige Arbeit in ihrer physischen Präsenz bewusst selektiert und manifestiert – ein Prozess, der die Materialität, den dreidimensionalen Raum und die spezifische Ortsbezogenheit des Werks mit einbezieht.


In einer Welt, in der sämtliche Stile parallel bestehen, verstehe ich meine Arbeit nicht als eine Ablösung oder eine simple Weiterführung bestehender Strömungen. Vielmehr geht es mir um eine bewusste Neudefinition. Ich sehe die digitalen Möglichkeiten nicht als Werkzeug, um immer komplexere und überladene Bildwelten zu kreieren. Stattdessen nutze ich sie, um die Möglichkeiten der Reduktion auszuloten – um der Reizüberflutung unserer Zeit etwas entgegenzusetzen. Meine Arbeit versteht sich als bewusste Reaktion auf eine Zeit, in der visuelle Reizüberflutung allgegenwärtig ist. Während digitale Technologien oft genutzt werden, um immer immersivere Bildwelten zu erzeugen, lotet meine Praxis deren Potenzial zur Reduktion aus. Dies lässt sich in einen größeren gesellschaftlichen Diskurs einordnen: Die omnipräsente Verfügbarkeit von Bildern, generative KI-Prozesse und algorithmische Bildproduktion werfen die Frage auf, ob die visuelle Kultur unserer Gegenwart eine Entschleunigung benötigt. In diesem Sinne verstehe ich meine Arbeit als eine Form der visuellen Ökologie – als eine bewusste Entscheidung für Klarheit, für Konzentration auf das Wesentliche. Gleichzeitig reflektiert meine Praxis auch die Transformation des künstlerischen Schaffens durch digitale Werkzeuge. In einer Zeit, in der die Grenze zwischen physischer und digitaler Kunst zunehmend verschwimmt, stellt sich die Frage: Wie kann eine künstlerische Position entwickelt werden, die sich nicht in der reinen Simulation verliert, sondern in ihrer physischen Präsenz Bestand hat? Diese Auseinandersetzung ist nicht nur ästhetisch, sondern auch konzeptuell zentral für mein Schaffen.



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